Fantasiereisen
Innere Bilderwelten zur Beruhigung und Reflexion
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Das tiefe, blaue Meer
Diese Fantasiereise eröffnet gewissermaßen ein neues Kapitel in der Hörfreund-Reihe. Der Fokus liegt auf der erzählerischen Erforschung eines Gefühls. Eines Gemütszustandes. Einer Verfassung, der wir so gerne entfliehen wollen und nicht immer wissen, wie der Weg hinaus geht. Die Reise "Das tiefe, blaue Meer" widmet sich den schwierigen Emotionen und schlägt einen Weg vor, ihnen zu entkommen. Die Reise beginnt in einer finsteren, kalten Dystopie, einer Art negativen Welt unangenehmer Gefühle, in der unbarmherziger Wind und ein wild aufgewühltes Meer an eine hohe, zerklüftete Klippe brandet. Der Reisende steht ganz oben auf dieser Klippe und wird lernen, sich den groben Naturgewalten vertrauensvoll hinzugeben. Neu lernen, zu vertrauen. Die Veränderungen zuzulassen. Die Erfahrung zu machen, loszulassen. Das Schwere und das Kalte aufzugeben. Aber diese Befreiung gelingt nur, indem der Reisende zunächst in die Tiefe des Gefühls abtaucht und dann erst beginnt die Verwandlung. Die Umdeutung der einst nur dunklen Tiefe in einen neuen, inneren, weiten Raum, den es zu entdecken und erkunden gilt. Denn hier, ganz in der Tiefe, ist ein Schatz verborgen, der nur dort zu finden ist: wir selbst. Hier in der Tiefe sind wir in der Lage, berührt zu werden und durch die Berührung einen neuen, richtungsweisenden Impuls zu bekommen. Hinaus aus der dunklen Unwirklichkeit. In diesen Untiefen erscheinen Möglichkeiten wie Lösungswege, denen der Reisende nun neugierig folgt. Die Lösungswege bekommen eine figürliche Gestalt, sie locken den Reisenden. Erwecken und berühren ihn. Wie zarte Angebote, behutsam, lässt sich der Reisende ein, den geheimnisvollen Wesen der Tiefe zu folgen. Dabei befreit er sich nun, mehr und mehr. Bis er irgendwie den Schatz geborgen hat und ihn im Moment der Rückkehr erst erkennt. Geduld, sind die letzten Worte. Geduld. Sie versprechen etwas Hoffnungsvolles, nein, es ist die Hoffnung selbst, die auch mit uns selbst geborgen wurde.
Die Fantasiereise "Das tiefe, blaue Meer" fantastisch interpretiert von Schauspieler Hans Sigl, der wie ein Sprachmagier agiert, klug und episch arrangiert von Klangmeister Oliver Pinelli und psychologisch feinfühlig erzählt von Autor Pablo Hagemeyer, kommt zur richtigen Zeit. In der jetzigen Welt, in der viele Menschen wegen der Coronavirus-Pandemie vielleicht auch das Gefühl der Schwere und der Unsicherheit verspüren, greift diese Reise eben diese Gefühle auf und wandelt sie in Hoffnung um. Wenn viele nur zuhause verharren können und irgendwie erstarrt sind, zeigt diese Reise einen tiefgründigen, emotionalen Lösungsweg auf, ohne betulich oder gemacht zu wirken. Eine tiefgehende, authentische Erfahrung, voller Empathie, Liebe und Wahrhaftigkeit. Diese Reise ist eine große Metapher auf das Leben.
Die Fantasiereise ist wie üblich für die Hörfreund-Reihe knapp über vierzig Minuten und damit sehr lang. Das ermöglicht dem Zuhörer tief und nachhaltig zu entspannen und sich dem Vergnügen und der hypnotisch beruhigenden Stimme Hans Sigls hinzugeben.
»Fantasiereisen - Aufbau, Dramaturgie und effektiver Einsatz in der Psychotherapie«
ein wirksames Tool ist die Arbeit mit dramaturgisch aufgebauten Fantasiereisen...
Aus der Einleitung zum Buch
Von großer heilender Bedeutung sind die stützenden, haltenden Elemente der Fantasiereisen. In der positiven Suggestion etwa, einem Bestandteil der Hypnotherapie (Milton Erickson), kann - von der positiven Beschreibung bis zu sinnlich spürbaren Elementen - alles erlaubt sein, was Wärme, Ruhe, Wohlgefühl, Sicherheit und Geborgenheit vermittelt. Ergänzt durch eine angenehme, haltende Stimme des Vortragenden oder durch Klangelemente wird das ganz basale Bedürfnis, gut gehalten zu werden, erfüllt.
Was bisher an Entspannungstexten und Fantasiereisen geschrieben wurde, hat diese Elemente meiner Ansicht nach noch nicht ausgereizt. Da sind beispielsweise "Der Fels in der Brandung" (von Autorin Luise Reddemann) oder die Metapher des Baumes, der mit seinen Wurzeln fest und tief im Erdreich steht, zu erwähnen. Auch die ritualisierten und recht kurzen, die Schwellenerfahrung betreffenden Fantasiereisen von Paul Rebillot, die als Teil seines therapeutischen Gruppenerlebnisses in dem Buch Die Heldenreise - Das Abenteuer der kreativen Selbsterfahrung (2011) zu finden sind, sind hier zu nennen. Mir waren diese Bilder stark genug, aber noch nicht auserzählt. Zu kurz wird die innere Welt der eigenen Vorstellungskraft gestreift. In meinen Texten versuche ich also, den Klienten seine eigene Kraft länger spüren zu lassen. Er soll die Möglichkeit erhalten, Fähigkeiten in der Vorstellung zu erleben, die er in der Realität vielleicht bisher nicht hatte oder deren Entwicklung ihm nicht so einfach gelingen will. Denn das Narrativ der Fantasiereise ist eine große positive Suggestion, die dabei hilft, sich von starren inneren Bildern zu befreien.
Mein Ansatz geht aber noch weiter: Weg vom Archetypus (Jung, Campbell, Rebillot) hin zum psychischen (neurotischen) Konflikt, dem persönlichsten aller "Monster".
– Pablo Hagemeyer
Aus dem Vorwort:
Dies ist ein außergewöhnliches Buch.
Es bringt das vage Konstrukt des Geschichtenerzählens
in einen systematischen Kontext, indem es einerseits die Themenwahl an dem Modell der psychodynamischen Grundkonflikte orientiert und andererseits der Dramaturgie einer therapeutischen Geschichte die von Joseph Campbell beschriebene universelle Erzählstruktur der Heldenreise zugrunde legt. Diese Gestaltungsform
findet sich in den Mythen aller Zeiten, aber auch in guten Geschichten, Drehbüchern von Filmen und ähnlichen literarischen Schöpfungen. Die Struktur der Heldenreise
zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht nur eine Geschichte interessant macht, sondern den Zuhörer mit seinen Schattenseiten und Ängsten in Kontakt bringt und
diese heilsam transformieren kann. (...) Die Heldenreise wird so zu einer erzählerischen Grundform für derartige Transformationen. Das Gestaltungsprinzip der Heldenreise ist aber nicht nur für die Konstruktion von Metaphern hilfreich, sondern generell als die Dramaturgie einer Therapie in ihrem zeitlichen Ablauf, um sie in einen sinnhaften Rahmen einzubetten.
Prof. Dr. Dirk Revenstorf