Narzissmus 

die fabelhafte Welt des Ich!

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Psycho

Ich, das Größte. Narzissmus

Das Urteil ist eindeutig: Narzissten sind schrecklich! Sie denken nur an sich und das Leid anderer interessiert sie nicht. Diese Stereotype sind weit verbreitet und falsch. Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung haben ein echtes Problem: Ihr Selbst ist fragil und muss beschützt werden. Es gibt sowohl Phasen großer Selbstsicherheit als auch solcher mit quälenden Zweifeln. 

Regie Antje Behr, Franziska Wieland (2022)

ICD-11 - gibt es nun Narzissmus?

Die Persönlichkeitspsychologie unterteilt den Narzissmus gesunder Personen in den grandiosen und den vulnerablen Typus (2-Faktoren-Modell), die differenzierter mit den 3 Persönlichkeitsfaktoren Extraversion, Unverträglichkeit/Antagonismus und Neurotizismus beschrieben werden können (3-Faktoren-Modell). Der grandiose und der vulnerable Typus finden sich auch unter den narzisstisch gestörten Patient:innen wieder, wobei die narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS), die im DSM-5 ausschließlich durch grandiose Merkmale charakterisiert ist, auch vulnerable Eigenschaften aufweist. Diese verbergen sich aber hinter den grandiosen Eigenschaften. Im klinischen Alltag ist der grandiose Narzissmus eher selten. Bislang konnte der vulnerable Narzissmus weder im DSM-5 noch in der ICD-10 diagnostiziert werden. In Zukunft wird er in der ICD-11 durch das dimensionale Konzept der Persönlichkeitsstörung jedoch abbildbar sein, auch wenn er als offizielle Diagnose in der ICD-11 nicht existieren wird.

Quelle: Wilfer, T., Spitzer, C. & Lammers, CH. Narzissmus – normal, pathologisch, grandios, vulnerabel?. Psychotherapie 69, 342–352 (2024). https://doi.org/10.1007/s00278-024-00741-6


Narzissmus = Selbstwertgefühlregulationsstörung

Narzissmus ist eine Selbstwertstörung. Um den Narzissmus-Begriff herrscht in der populären wie in der fachlichen Welt viel Missverständliches und Unklarheit. Der Begriff Narzissmus ist schwammig. Das liegt in der Natur des Narzissmus, der ambivalente Effekte - gute wie schlechte - zeigt. 

Traditionell bezieht sich Narzissmus oft fälschlich auf die "historische" lyrische Figur des Narziss, aber auch fachlich ist es problematisch, Personen als "narzisstisch" zu benennen, ohne ergänzend das Problematische daran in Begriffen des Verhaltens, des Denkens und des Wahrnehmens zu konkretisieren. Narzissmus ist meines Erachtens das überwiegende bis ausschließliche, andauernde Interesse an einem selbst. Andere stehen nur in Funktion zu diesem Interesse. Die positive Selbstwahrnehmung fördert charismatisches Auftreten und grandiose Selbstüberzeugungen, die einen selbst und andere gleichermaßen mitreissen und begeistern. Aber ein wahres tiefergehendes menschliches Interesse am anderen existiert meist nicht. Daraus ergibt sich die negativ gefärbte verschobene Wahrnehmung einer Selbstwertbedrohung. Die Interpretation dieser Wahrnehmung führt zum Eindruck, vieles laufe gegen einen und fördert schnell Misstrauen, selbst in harmlosen Situationen. 

Regulieren kann dann entweder eine erneute Selbsterhöhung oder die Abwertung anderer, was zu paradoxen Effekten führt. Einerseits Freude und Begeisterungsfähigkeit für das Eigene, anderseits Abweisung und Entwertung für das Andere (oder Fremde). Dies kann in beide Extreme eskalieren und die narzisstische Energie kann ebenso Leidenschaft wie Zerstörung liefern. Typischerweise ist am Anfang jeder Beziehung zu einer narzisstischen Person volle Leidenschaft und Eros. Auch im beruflichen Kontext. Im Verlauf kommt es zum Verlust des tollen Images aufgrund fehlender, vorgegebener Leistungsfähigkeit oder dem Verpuffen der idealisierten Fassade, schließlich mit Thanatos, dem Zusammenbruch in dunkler Nacht, der Enttäuschung von Versprechungen und platzenden Illusionen.

Wer sich hier nicht ehrlich macht mit seinen Schwächen, sich keine Hilfe holt, wird den Einstieg in eine heilsame Reflexion und folgender Restauration nicht schaffen. Wird sein Muster an anderer Stelle so lange wiederholen, bis der "Change" gelernt wird. Hier lauert die narzisstische Selbsttäuschung. Es angeblich wirklich verstanden zu haben wird opportunistisch deklariert, ohne eine tiefgreifende Veränderung der Wahrnehmung und des Verhaltens. So zieht sich eine Spur der Verwüstung mit Enttäuschungen, Verrat und Verletzungen durch das eigene Leben und durch das der anderen. Die narzisstische Flucht in die Wiederholung des anfänglichen Zaubers ist so verlockend, um dieser Tatsache der Selbsttäuschung und der Verwüstung zu entkommen. Dann lieber neu irgendwo anfangen, wo niemand einen so kennt, und man die Illusion schürt, jetzt wirklich etwas gelernt zu haben. Erneut begeisterungsfähig alle anderen mitreissen... Jenen ist ein empathischer Veränderungsprozess geschenkt, die sich ernsthaft mit der eigenen Schattenseite auseinandersetzen. Ohne Anklage und ohne Urteil. Mit Selbstempathie und Ehrlichkeit.

Narzissmus ist eine ganz bestimmte Art der überhöhten Selbstbezogenheit. Die Idealisierung des Eigenen bei gleichzeitiger Entwertung von allem, das nicht dieser Idealisierung zuträglich oder dienlich ist, fromulierte Erich Fromm (1900-1980).

Wahr ist, dass dem Kern nach Narzissmus eine Selbstwertstörung ist. Darin sind sich zumindest die meisten einig, auch die leidenschaftlichsten Kritiker des Narzissmus-Konzepts. Wahr ist, dass das eigene Selbstwertgefühl (Selbstwertwahrnehmung und Selbstwertbeurteilung) durch übertriebenen Geltungsdrang, Rücksichtslosigkeit, Kontroll- und Machtansprüchen reguliert wird. Etwas ist bedroht. Das Selbsterleben wird als bedroht erlebt, mit Gefühlen des Selbstverlusts, der Bedeutungslosigkeit, der Wertlosigkeit und der Ohnmacht. Diese lästigen Gefühle können mit einer fantasierten Selbstidealisierung von einem ferngehalten werden. Indem man sich nur mit der großartigen Fantasie über sich selbst identifiziert, wird das negativen Selbsterleben nicht mehr gespürt und abgespalten. So spürt der Narzisst oder die Narzisstin und will in Erfahrung bringen, wie großartig er oder sie ist, sagt Rainer Funk.

Beispielhaft geht es in hochstrittigen Trennungsfällen im Sinne der Idealisierung des Eigenen, auch vornehmlich um den eigenen Besitz, um den eigenen Besitz eines anderen auch des eigenen Kindes und der eigenen Beziehung zum eigenen Kind. Hier wird anders gelebt und geliebt. Die Fantasie der Selbstüberhöhung will über das Materielle und über das Ideale perfekt gelebt und geliebt werden. Begriffe wie "Entfremdung" und "Bindungsintoleranz" werden oberflächlich verwendet und nicht selten manipulativ missbraucht. Für die Rechtsprechung ist in hochstrittigen Fällen wichtig, das strategisch manipulativ eingesetzte Schauspiel zum Erreichen dieser egoistischen Ziele auf Basis einer Selbstidealisierungs-Fantasie zu durchschauen. Besonders in hochstrittige Fällen ist wichtig, unnötige Kosten, materielle und besonders auch ideele, emotionale und psychische Kosten zu reduzieren. Den Blick für die Pathologie zu bekommen und hinter die Oberfläche narzisstischer Fantasien zu blicken, was durch die Gewaltopfer psychischer Gewalt selbst angerissen und durch kundige Fachkräfte beleuchtet und eingeordnet werden sollte. Hier liegt aber die Schwäche im System. Es gewinnen jene, die kein Problem mit hohen Kosten eines Rechtsstreits haben und es verlieren jene, die ihr Image nicht überzeugend rüberbringen. Die unglaubwürdig wirken sind meist komplex traumatisierte Personen und jene, die von der Gegnerschaft als psychisch krank pathologisiert werden. Hier ist viel mehr Aufklärung und viel weniger Anklage nötig, um ein humanistisches Menschenbild in diese hochstrittigen Fälle zu tragen. Dafür engagiere ich mich, bswp. in der Stiftung GOLDKIND.

Im Kind entsteht narzisstisches Verhalten durch eine hohe genetische Penetranz - der Erziehungsstil ist sekundär, aber muss dennoch besprochen werden. Einerseits kann durch zu viel Durchlässigkeit im Erziehungsverhalten der Eltern oder Erziehungspersonen und anderseits durch unangemessene Anerkennung für Leistung die Feineinstellung der Selbstregulation leiden. Übertriebene oder keine Anerkennung für gewöhnliche oder enorme Leistung, oder für geringe Leistung, fördern ein negatives Selbstbild und ermöglicht als Kompensation die Fantasie und das Schauspiel der Selbstüberhöhung zur Selbstregulation. Diese Selbsttäuschung entsteht aus der Not zur Selbstkontrolle. Diese Fantasie wird durch materielle und besitzorientierte Ziele ein Leben lang gehalten. Sie sind Stützen des idealisierten Selbst. Hierbei darf nicht vergessen werden, ob mit dieser Kompensation auch komplex traumatisierende Belastungen durch das Kind bewältigt werden. In der narzisstischen Kompensation wird ein narzisstisches Image kreiert, an das hilfreich geglaubt wird. Das auch erfolgreich ist, aber auch wenn in großer emotionaler Not und Krise, gnadenlos kämpft und fordert. Nicht überall ist diese narzisstische Fantasie hilfreich. Sie ist schädlich, da sie zu einer zerstörerischen Zumutung für andere wird. Die Schädigungen und die Kosten sind in ihrem ganzen Ausmaß erst durch die Berichte und Schilderungen anderer erfassbar. Diese müssen aktiv abgefragt werden und werden nicht immer spontan berichtet! Man kann fragen, wieviel Prozent der Beschädigungen sind schon berichtet worden? Wieviel noch nicht? Man muss auch fragen, welche Vorteile und welche Bedürfnisse erfüllt und gesichtert und welche unsicher erfüllt oder unerfüllt waren. Erst in der Bilanz der Vor- und Nachteile wird das ganze Ausmaß einer Kindheit klar. Diese muss aktiv abgefragt werden!

Wahr ist auch, dass die Überzeugungskraft von charismatischen Individuen Fortschritt erreicht. Die Idealisierung einer charismatischen Führungsperson ist Teil der menschlichen Natur. Zugleich ist die Sehnsucht nach starken Persönlichkeiten das Einfallstor zur eigenen Verführung. Daher muss immer auch bedacht werden, ob sich ein Mensch in der Idealisierung missbräuchlich entwickelt. Was anfangs idealisiert wird, kann sich alptraumhaft dysfunktional entwickeln und besonders komplex traumatisierte Personen können sich nur schwer aus solchen Missbrauchsbeziehungen lösen.

Es werden die grundlegenden Fragen nicht gestellt, was ist denn mit einem Menschen los, der sich so problematisch verhält. Betroffene berichten typischerweise zu wenig eigene Pathologie. Diese kann deutlich abweichen von einer geteilten Realität in Form einer typischerweise verzerrt überhöhten Selbstwahrnehmung und übertrieben Selbstinterpretation der eigenen Wichtigkeit und Wirksamkeit. Sie kann spezifisch abgelöst sein von der Realität und insbesondere, was die eigenen Fähigkeiten und eigenen Eigenschaften betrifft auch deutlich abweichen und wahnhaft sein. Es bleibt eine Fantasie. Betroffene wirken zunächst sehr selbstsicher und auch auf andere sehr überzeugend, da sie wirklich an ihre aussergewöhnlichen Fähigkeiten und besonderen Eigenschaften unkritisch und unreflektiert glauben. Tatsächlich sind viele damit sehr überzeugend und erfolgreich. Tatsächlich merkt aber auch das Umfeld, das etwas mit der Person in seiner realistischen Selbsteinschätzung nicht stimmt. Wer diesen Glauben oder "Irrglauben" über einen selbst aber nicht folgt, diesen nicht stützt, diesen sogar wagt kritisch zu hinterfragen, der wird zum Selbsterhalt dieses Glaubens oder "Irrglaubens" herabgewürdigt und distanziert. Zu diesem Selbsterhalt werden auch andere emotional strafende und einflussnehmende, manipulative "böse Spiele" gespielt. Diese bösen Spiele beschädigen psychisch. Es werden auch Kontroll- und Machtspiele gespielt. Hierzu werden Bilder des Selbst, sogenannte Images, wie man sich selbst sieht, erzeugt und gelebt und Appelle (Forderungen, von Bitten bis Drohungen) geäußert, so Rainer Sachse. Diesen Spielen (Strategien) fallen besonders jene zum Opfer, die selbst Abgrenzungsschwierigkeiten haben und sich besonders schwer damit tun, eigene, egoistische Bedürfnisse zu verfolgen und eher unfähig sind, sich aus Missbrauchsbeziehungen aus eigener Kraft zu lösen. Die Kosten und das Leiden des Umfelds sind erheblich, werden aber rabbatiert. Narzissmus ist die Störung, an der andere mehr leiden, so Michael Ermann.

Steigt die Not und das Leiden auf Seiten des oder der Betroffenen, besteht die Gefahr einer krisenhaften Zuspitzung und Bedrohung durch Zusammenbruch, aber auch die (geringe) Chance zur ehrlichen Reflexion. Die Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung darf erst dann gestellt werden, wenn Leiden vorliegt. Ohne Leiden ist nur eine normale aber oft nicht minder problematische Charaktereigenschaft beschreibbar, der narzisstische Persönlichkeitsstil

Chancen und Risiken radikaler Ehrlichkeit. Wer diesen narzisstischen Glauben oder "Irrglauben" in einem ehrlichen und detaillierten Gespräch aufweicht und reflektiert - über die vielen kleinen manipulativen Winkelzüge zur Rechthaberei, die emotionalen Erpressungen, die Täuschungen, die Irreführungen, die Vertuschungen, die Ablenkungen von eigenen Fehlleistungen, die Angebereien, die Umlenkungen von Verantwortung auf andere, um selbst nicht schuldig zu sein, sondern die Schuld zu teilen, oder zur eigenen Entlastung ganz auf andere zu schieben - unter Freunden oder mit dem/der Partner/in oder in einer gelungenen Psychotherapie, stösst bald auf sehr alte, bedeckt gehaltene, innere Überzeugungen und Glaubenssätze "nicht gut genug" und "nicht wert genug" zu sein.  Die Niederlagen oder Überforderungen werden von den Betroffenen sehr krisenhaft durchlebt und lösen heftige Affekte wie Angst, Verzweiflung und Wut aus. Manche reagieren neurotisch "gekränkt" und manche nicht und wirken wie "Teflon", weil sie sich durch die verinnerlichte Überzeugung sehr wohl "gut genug" und vermutlich sogar "aussergewöhnlich gut" zu sein, jeden kritischen Angriff "leisten" können. Selbststabilisiernd ist das Wiederaufgleisen der eigenen Wirksamkeit und Wichtigkeit oder das Erreichen tatsächlicher Erfolge. Selbststabilisierend ist das aus einem Umfeld zu hören in den Echokammern der Ja-Sager. Oder klassisch ist der Rückzug aus der Realität in das eigene Kämmerlein der idealisierten Isolation des Ich mit mir alleine. Das Ich kann bewundert werden und nur dann ist es ansprechbar. Langfristig aber ist nur die Anfreundung mit dem gesunden Mittelmaß des Lebens heilsam, was aber befürchtet wird. Die "innere Umschulung" auf andere Werte wäre so notwendig, wie Menschlichkeit, Empathie wie die Einsicht zur realistischen Einschätzung der eigenen Fähigkeiten. Statt weiter an der Fantasie festzuhalten und Kosten bei anderen zu produzieren durch ein unerbittliches "Erst Ich, dann Ich und als Drittes mein Schatten...".

Hieraus entstehen die zwei anerkannten grundlegenden Konzepte des Narzissmus, der grandiose und der verletzliche, so Claas-Hinrich Lammers. Sie sind eher getrennt voneinander oder selten können sie innerhalb einer Person wechselnd auftreten. Narzisstisches Verhalten kann hoch funktional "angepasst" und "nett" oder scheinbar sozial "selbstlos" (kommunal) und nach Otto Kernberg im extremfall kombiniert psychopathisch und sadistisch (maligne) ausgeprägt sein. Landläufig kennt man aber nur den "grandiosen" und übersieht dabei leicht die anderen. Jeder ist narzisstisch, einer mehr, andere weniger. Es ist ein Menschheitsthema, es betrifft alle, so Bärbel Wardetzki.

Dieses interpersonale problematische Verhalten, unter dem auch andere Personen erheblich leiden, unter dem Begriff sehr weitgefassten Begriff "Narzissmus" zu subsummieren, macht daher schon wegen dieser sehr unterschiedlichen Ausprägungen, auch in hochstrittigen Fällen keinen Sinn. Aber das sollte motivieren, genauer zu benennen, was das problematische Verhalten ist. Daher müssen wir uns alle sehr detailliert damit befassen, um die Störung wirklich zu erkennen. Dem steht Vieles entgegen, die eigene Abwehr, sich mit psychologischen lästigen Themen einer psychischen Störung oder problematischen Verhaltens zu befassen und ganz Alltägliches, die Arbeitslast zu reduzieren und damit auch das lästige Thema "Narzissmus" mit all seine Implikationen rasch "vom Tisch zu haben". Hierzu gibt es vielversprechende und valide Untersuchungsmethoden, die endlich zur systematischen Anwendung durch Fachexperten auch im Bereich der psychischen und unsichtbaren Gewalt kommen sollten. Studien belegen einen normalen Anteil von Narzissmus bis zu 20% in der Bevölkerung (Alltagsnarzissmus oder narzisstischer Stil), sowie einen sehr viel geringeren Anteil narzisstischer Persönlichkeitsstörungen von 0,8%. Dabei ist wichtig zu bedenken, dass die Personen mit einem hochproblematischen narzisstischen Verhalten eher nicht in die Verlegenheit kommen, sich freiwillig diagnostizieren zu lassen, da sie die Methode der Psychotherapie oder anderer Reflexionen, aus Furcht oder Sinnlosigkeit vermeiden.

Es ist daher eine notwendige Zumutung an alle Beteiligten, um sich Klarheit zu verschaffen und sich eben nicht einfach abfertigen zu lassen. Weder in die Kategorie des Narzissmus noch in die Kategorie einer anderen Persönlichkeitsstörung "stecken zu lassen". Es ist dabei große Sorgfalt zu tragen, wie (manipulativ) von den eigenen Verantwortungen abgelenkt wird und anderen eigene Schuld und eigene Verantwortung delegiert wird. Die Täter-Opfer-Umkehr dient der eigenen Selbstwertregulation und läuft immer auf Kosten des realen Opfers, welches als scheinbarer Täter stilisiert wird. Man mag an dieser Stelle heraus sich die eigene Last erleichtern mit der Aussage, beide haben zu gleichen Teilen dazu beigetragen. Dem kann in vielen Fällen zugestimmt werden.

Neutralität jedoch hilft nur dem Täter, nie dem Opfer, etablierte schon Friedensnobelpreisträger und Holocaustüberlebender Elie Wiesel (1928–2016). Daher ist Parteilichkeit notwendig, sobald problematisches Verhalten wie psychische Gewalt, Impulsivität und andere eindeutige Marker einer Person klar zuzuordnen sind und eine Relativierung durch Umkehr ins Gegenteil unmöglich ist.

Spielerisch mit Narzissmus umgehen...

Impact Spiel in der Kommunikation mit einem narzisstischen Partner.

Jeder bekommt 50 rote Karten (Vorwurf), 50 gelbe Karten (Emotion) und 50 grüne Karten (Kompromiss). Jedes Mal, wenn eine(r) dem anderen was sagt, bekommt sie/er eine Karte. Wer am Ende keine roten Karten mehr hat, gewinnt. Wer die meisten gelben hat, kann offen über seine Gefühle sprechen, was toll ist, denn er ist der Selbst-Empathie-Prinz (Prinzessin). Wer die meisten grünen Karten hat ist der Gewinner der Diplomatie, die beste Voraussetzung für eine lange Partnerschaft.

Wer das hier sagt erhält sofort eine rote Karte: »Du hast die Spülmaschine falsch eingeräumt!«

Wer das hier sagt erhält sofort eine gelbe Karte: »Mir geht es gerade nicht so gut.«

Wer das hier sagt erhält eine grüne: »Ich bin an dir interessiert, ich glaube zu verstehen, was du meinst, aber lass uns das heute Abend in Ruhe besprechen, wenn ich dafür einen freien Kopf habe, ja?«

Noch ein paar Hinweise in narzisstischer Sache...

»Gestatten, ich bin ein Arschloch.«

Ein netter Narzisst und Psychiater erklärt, wie Sie Narzissten entlarven und ihnen Paroli bieten

Best- und Longselling Amazon-Book:

Erschienen im April 2020 im Eden Books Verlag und handelt auch von mir, der mal den Spiegel vorhält und uns alle fragt, wieviel Narzissmus hat jeder so in sich. Ein Buch, das die positive Seite des Narzissmus aber auch die Schattenseite der Störung erklärt und Tipps liefert, wie damit umzugehen ist. Denn wir können die Narzissten und den Narzissmus als globales Phänomen nicht auf eine Insel verbannen. Mich selbst zum Beispiel machend und eine kleine Innenschau meiner Ehe und der Beziehung zu meinem Hund lockern auf, was der bittere Ernst hieran ist, nämlich dass Narzissten die Fähigkeit haben, Menschen zu zerstören. Sich selbst als so wichtig zu sehen, dass ein anderer Mensch und sogar ein anderes Menschenleben nichts mehr zählt. Nicht nur Populisten und ihre einfachen Tricks nehme ich aufs Korn und fange gleich mit Donald J. Trump an, sondern auch diesen stillen, leisen Narzissmus, der unsere so wertvolle Zwischenmenschlichkeit vergiftet, beleuchte ich. Der Mangel an Empathie und der Mangel an Interesse am Menschen sind die Folgen einer neurotisch fehleingestellten Selbstbewertungsstörung, die schon früh in der Entwicklung der menschlichen Psyche eingestellt werden. Mit Humor und provokativer Herausforderung kann man die Kulisse einreissen, die ein Narzisst aufbaut. Mit Selbstbehauptung und Nachdruck ohne zu überziehen kann jeder einen Narzissten ausbremsen. Wir sollten alle keine Angst vor diesen Typen haben, wenn sie nicht zu den Extremen gehören. Dazu ermutige ich in meinen neuen Buch! 

Noch im April 2020, mitten im Lockdown und zwei Wochen nach dem Erscheinungstermin, kam das Buch bis auf Platz 7 der Spiegel Bestsellerliste, wo es sich bis September 2020 wacker hielt.


Rainer Sachses Kommentar zu dem Buch von Pablo Hagemeyer "Gestatten, ich bin ein Arschloch"

Das Buch handelt von Narzissten: Es handelt davon, wie und was Narzissten erleben, wie sie Handeln und wie sie Beziehungen gestalten. Das Buch ist aus einer sehr persönlichen, stark introspektiven Perspektive geschrieben und erlaubt damit viele Einblicke in ein "narzisstisches Funktionieren".

Sehr positiv ist anzumerken, dass der Autor betont, dass Narzissmus ein heterogenes Konzept ist: Es gibt viele unterschiedliche Ausprägungen und Spielarten von Narzissmus. Es gibt Stile und Störungen, erfolgreiche und erfolglose Narzissten und das narzisstische Handeln hängt hochgradig mit anderen Faktoren zusammen. Einige Ausprägungen wirken sich für den Betroffenen und für Interaktionspartner durchaus positiv aus, andere erzeugen für die Person hohe Kosten und wirken auf Interaktionspartner negativ.

Daher ist es in der Tat wesentlich, Narzissten besser zu verstehen.

Das Buch macht dankenswerterweise auch klar, dass viele Aspekte des Narzissmus Ressourcen sind. So spornt Narzissmus an, ermöglicht hohe Leistungsorientierung und hohe Handlungsorientierung, schnelle Entscheidungen usw.: Insofern kann sich Narzissmus als stark positiv erweisen und ist daher auch gesellschaftlich akzeptabel.

Insgesamt konzentriert sich der Autor stark auf den interaktionellen Aspekt, der tatsächlich äußerst wichtig ist. Wie gehen Narzissten mit Interaktionspartnern um? Es wird deutlich, dass hier Narzissmus zu hohen Kosten führen kann, das die Person ihre Partner bevormundet, kontrolliert, abwerten und manipulieren kann; sie kritisiert hart, ist aber selbst hoch kritikempfindlich.

Auch diese Aspekte von Narzissmus zu verstehen ist hoch relevant, insbesondere dadurch, dass der Autor sich ausführlich mit der Frage beschäftigt, wie Interaktionspartner mit dem problematischen Handeln von Narzissten umgehen können. Auch der konstruktive Umgang mit typischen manipulativen Strategien wird behandelt.

Das Buch ist daher spannend und lobenswert; die stark persönliche Sichtweise vermittelt einerseits deutliche Eindrücke, hat allerdings manchmal den Nachteil, dass ein Leser die Distanz zum Stoff verlieren kann.

Zu der tiefenpsychologischen Therapiekonzeption kann ich nichts sagen, da dies nicht meinem therapeutischen Vorgehen entspricht.

Ein kleineres Problem liegt darin, dass eine konzeptuelle Unterscheidung zwischen einem starken Narzissmus und einer Psychopathie nicht wirklich ausgearbeitet ist: Das führt des Öfteren z. B. zu der falschen Annahme, Trump sei nur narzisstisch.

Ganz sicher ist er auch narzisstisch aber er ist vor allem psychopathisch. 

Prof. Rainer Sachse im Mai 2020